Menschen fotografieren: 10% Technik, 90% Psychologie

Menschenfotografie: Welche Rolle spielt Kommunikation und wieviel Psychologie steckt drin? Porträtfotografie ist 10% Technik und 90% Psychologie.

Menschen fotografieren ist 10% Technik und 90% Psychologie

„It is more important to click with people than to click the shutter.“
– Alfred Eisentaedt

Den meisten Menschen ist nicht bewusst, welche Rolle Kommunikation spielt und wieviel Psychologie beteiligt ist, wenn sie Porträts fotografieren oder fotografieren lassen. Fotografieren lassen? Ja. Denn Gleiches gilt sowohl vor als auch hinter der Kamera. In der Tat ist die Porträtfotografie 10% Technik und 90% Psychologie. Die wichtigsten Tasten drückst du nämlich nicht an deiner Kamera.

Die besagten 10% Technik sind die Grundlage, die dir erlaubt, großartige Fotos von Menschen zu machen. Was das bedeutet, ist, dass du deine Ausrüstung kennen musst und beherrschst. Denk mal darüber nach: Wenn du in ein Auto steigst, denkst du nicht: „Wie fahre ich das Auto?“ Du steckst den Schlüssel ins Zündschloss, drehst ihn um und fährst los. Du achtest auf die Straße und den Verkehr. Du musst aber nicht darüber nachdenken, wie du das Fahrzeug benutzt, oder?

Wenn du einen Schraubendreher benutzt, weißt du automatisch, rechtsrum festziehen, linksrum lösen. Du denkst nicht darüber nach, „Wie benutze ich einen Schraubendreher?“ Warum musst du nicht darüber nachdenken? Du hast es oft genug gemacht. Du hast geübt. Du beherrschst dein Werkzeug. Wenn du an dem Punkt bist, wo du nicht über deine Ausrüstung nachdenken musst, kannst du dich voll und ganz auf den Menschen vor deiner Kamera konzentrieren. Erst dann bist du in der Lage, eine Beziehung zu deinem „Subjekt“ aufzubauen und bist in der Lage, authentische und aussagekräftige Menschenfotos zu gestalten. Dann kannst du Menschen dazu bringen, entspannt zu sein und gut auszusehen.

Wenn du mit deinem Gegenüber vor der Kamera zu interagieren verstehst, kann und wird er/sie sich wohl und entspannt fühlen, wenn der Auslöser klickt. So wird die Portrait-Session zu einer positiven, erhebenden Erfahrung – angenehm und nahtlos.

Als Fotograf solltest du dir der Philosophie bewusst sein, dass jedes Porträt ein Gemeinschaftsprojekt ist. Um die perfekten Ergebnisse zu erzielen, ist eine offene Zwei-Wege-Beteiligung erforderlich. Dabei ist es unerlässlich, dass du den Menschen kennen lernst, mit dem du dich beim Fotoshooting in eine Raum befindest, um die Essenz seiner Persönlichkeit zu erfassen. Die Interaktion zwischen Fotograf und „Model“ schafft eine Ebene des Vertrauens, in der sich das „Subjekt“ wohl fühlt. Zuhören und „die Zielperson“ in den fotografischen Prozess zu integrieren, ist eine Fähigkeit, an der jeder, der Menschen fotografiert, immer wieder arbeiten sollte.

Während wir in unserem Fototeam mit dem „Model“ und dem Thema interagieren, achten wir intuitiv auf die richtige Lichtsetzung und die perfekte Perspektive, um die Person vor der Kamera auf die beste und interessanteste Weise ins Bild zu setzen. Wir sind geübt und erfahren in Gesichts- und Körperanalyse und aufmerksame Beobachter der Gruppendynamik. Die Liebe zum Detail ist ebenfalls eine wichtig Eigenschaft, die es uns ermöglicht, uns auf Styling, Ambiente und Verbindung zu konzentrieren.

Jeder Mensch ist einzigartig

Ein Foto kann keine Stimmen erfassen, daher vermittelt es auch nicht, was der Mensch vor der Kamera über sich selbst sagt. Aber auch das, was der Mensch über sich selbst sagt, spiegelt nicht immer genau das wieder, was er tatsächlich denkt und fühlt. In der Tat verwenden Menschen manchmal Verbalisierungen, um den Ausdruck dessen, was in ihnen vorgeht, zu modifizieren, zu filtern und zu zensieren.

Ich persönlich bin der Überzeugung, dass nonverbale Kommunikation genauso viel oder sogar mehr enthüllt als reden. Die körperliche Präsenz, die Art, wie sich Menschen kleiden, wie sie sich bewegen und positionieren, spricht Bände. Vieles von dem, was die Körpersprache verrät, passiert eigentlich unbewusst. Menschen können sich bis zu einem gewissen Grad selbst überwachen und kontrollieren, aber oft übertragen Gesten, Bewegungen und Haltung auch Gefühle, obwohl sie nicht verbalisiert werden. Das geschieht unbewusst.

Immer wieder wird nach Büchern oder Anleitungen zu richtigen Posen gefragt. Zum ersten Ideensammeln können diese auch ganz hilfreich sein. Aber weil eben jeder Mensch einzigartig und individuell ist, wird keine dieser „Vorlagen“ pauschal funktionieren. Erst, wenn die Vorlagen individuell umgesetzt, also auf den jeweiligen Menschen vor der Kamera angepasst werden, wird die Orientierung an einer Anleitung sinnvoll. Und mit der Zeit werden die Bücher sogar unnötig. Fotografen, die gerne Menschen fotografieren, können davon profitieren, sich mit den grundlegenden Körpersprachemustern vertraut zu machen, die bestimmte Emotionen und mentale Zustände darstellen. Ein Cluster von physischen Signalen bildet ein Muster, das den mentalen Zustand einer Person zuverlässiger als ein einzelner Aspekt der Körperhaltung ausdrückt. Fotografen können dieses Wissen nutzen, um einen aufschlussreichen Moment zu erkennen, um Modelle zu erfassen oder um sie in eine psychologisch faszinierende Pose zu führen. Obwohl sich diese Kategorien überschneiden, ist es hilfreich, sie zunächst als relativ unterschiedliche Geisteszustände zu betrachten.

Klingt sicherlich alles ziemlich kompliziert und „psychologisch“, ist es aber eigentlich gar nicht. Es ist eigentlich vielmehr wie im richtigen Leben: Zuhören, beobachten, kommunizieren, interagieren. Eine Begegnung, ein Gespräch, eine Beziehung zwischen zwei Menschen wird nie lange dauern, geschweige denn erfolgreich sein, wenn das „Miteinander“ fehlt und wenn die Chemie nicht stimmt. Genau so wenig werden aus so etwas tolle Fotos entstehen. Du siehst: Eigentlich gar nicht so schwer, oder?

Und was ist mit dem Fotografen?

Platte Antwort: Mit ist gut, ohne ist schlecht.

Achja… Die fehlende Zutat in dieser Diskussion und Philosophie bist du, der Fotograf. Bisher war die Rede von Körpersprache der Menschen vor der Kamera. Aber was ist mit der Körpersprache der Personen in Bezug auf dich und die Zuschauer, die das Bild durch deine Augen sehen und erfahren? Die Körpersprache des Subjekts kann uns mit einer starken Emotion ansprechen, uns in das Bild einladen, uns ablenken oder uns fast gänzlich fern bleiben, selbst wenn es sehr intim erscheint, was uns in eine voyeuristische Position bringt. Wenn ein Mensch in die Kamera schaut, scheint die Körpersprache so zu sein, als ob es einen Gedanken oder ein Gefühl ausdrückt, obwohl subtilere Posen auch eine gewisse Verbindung zum Fotografen bedeuten können. Genau wie Körper, Hände, Finger oder Füße. Selbst, wenn die Probanden nicht in die Kamera schauen, spüren wir manchmal ihr Selbstbewusstsein im Foto. Der Körper erscheint aber auch oft angespannt. Auf sehr subtile Weise ist die Körpersprache dann nicht überzeugend auf das ausgerichtet, was in der Aufnahme eigentlich wichtig sein sollte, weil die Aufmerksamkeit auf die Kamera gerichtet ist.

Denk auch an deine eigene Körpersprache während des Shootings. Porträtfotografen diskutieren oft darüber, wie die Interaktion mit Subjekten ihre Posen beeinflusst. Wenn Körpersprache eine subtile, unbewusste Wirkung auf Menschen hat, warum sollte sie dann nicht effektiv genutzt werden? Um beispielsweise einem eher schüchternen Menschen zu helfen, sich zu entspannen, vermeide deine eigene ängstliche Körpersprache und nimm eine ruhige, aufnahmefähige Haltung an. Psychotherapeuten haben entdeckt, dass, wenn man die Körpersprache eines Menschen nachahmt oder reflektiert, sich dieser selbst auf subtile Weise verstanden fühlt. Das hilft bei der Entstehung eines authentischen Porträts ungemein. Das Experimentieren mit den Möglichkeiten der Körpersprache auf spielerische Art und Weise kann helfen, zu entspannen und vielfältige Möglichkeiten für interessante Posen zu eröffnen. Tyra Banks zum Beispiel sagt ihren Models, dass sie eine Haltung oder einen Gesichtsausdruck bis an ihre äußersten Grenzen bringen und dann zurückziehen sollen. Warum nicht? Die Aktivierung der Körpersprache aktiviert auch Emotionen, und darum geht es bei einem guten Foto.

Macht doch einfach geile Fotos!

Viele Hobbyfotografen, Anfänger, aber auch Semi-Professionelle und sogar die alten Hasen vergessen leider allzu häufig, dass es bei der Fotografie immer zwei Seiten gibt – eine vor, eine hinter der Kamera. Viel zu viele „Fotografen“ verlassen sich leider viel zu oft darauf, dass das „Model“ vor der Kamera schon wissen wird, was es tut. Er/Sie sieht ja schließlich gut aus und wird auf den Fotos nachher auch so wirken. Denkste! Denn genau da sind wir wieder beim Thema „Interaktion“ und ganz besonders „Psychologie“. Genau aus dem Grund gilt das Ganze nämlich auch vice versa: Verlasse dich also vor der Kamera nicht darauf, dass der Fotograf schon wissen und dir schon sagen wird, wie du am besten wirkst, was zu dir passt und wie die Bilder tatsächlich perfekt deine Persönlichkeit wiederspiegeln. Viele sind viel zu sehr mit der Technik und den Einstellungen ihres Werkzeugs beschäftigt, statt mit dir vor der Kamera.

Vor und hinter der Kamera zu agieren und ein perfektes Ergebnis zu produzieren, ist gar nicht so schwer. Zwei Menschen kommunizieren miteinander, interagieren, harmonieren, schaffen gemeinsam und miteinander ein Werk. Und genau DAS ist der Schlüssel für tolle Fotos:

GEMEINSAM UND MITEINANDER!

Und jetzt leg los! Geh Fotos machen, vereinbare einen Termin für ein gemeinsames Fotoshooting, kommuniziere mit Menschen, fasziniere und fotografiere Menschen! Und um es mit den Worten von Joe Edelman zu sagen:

YOUR BEST SHOT IS YOUR NEXT SHOT!

Wie immer: Wenn dir meine Gedanken und meine Worte gefallen oder sogar ein bisschen weitergeholfen haben, würde ich mich freuen, wenn du diesen Artikel mit Anderen teilst. Dann hat sich auch meine Arbeit gelohnt. Danke.

Dein

Hochzeitsreportage

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