Selbständigkeit ist nicht die “große Freiheit”

Wenn du dich selbständig machst, um eine tolle "Work-Life-Balance" zu erreichen und die totale Freiheit, Ruhe und Erholung zu finden und dir die Sonne auf den Sack (oder auf die Möpse) scheinen zu lassen, habe ich schlechte Nachrichten für dich: Du wirst es nicht schaffen. Bäm.

Selbständigkeit ist nicht die “große Freiheit”

Der Mythos vom tollen Unternehmerleben

Im Gespräch mit vielen Gründern oder auch Menschen, die sich selbständig machen wollen, habe ich feststellen müssen, dass die meisten von denen sich von der Selbständigkeit die ganz große Freiheit und eine tolle “Work-Life-Balance” versprechen. Ihre Idee war, wenn sie ihr eigener Chef werden, würde das Leben viel einfacher und entspannter.

Ich verstehe den Gedanken dahinter. Ich verstehe die Träume und Ideen. Das ist doch genau der Lifestyle, der immer wieder von tollen, erfolgreichen Unternehmern verbreitet und propagiert wird, wenn sie Fotos auf Instagram posten mit tollen Titeln wie “mein Büro für heute” – und es ist doch meistens ein Strand in der Karibik, oder?

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, selbständig sein, “sein eigener Chef” sein, sieht anders aus. Die Wahrheit ist nämlich – genau wie der Teufel – ein Eichhörnchen. Unternehmer sein ist kein einfacher, easy and free lifestyle. Weit weg von “relaxed und entspannt”. Selbst, wenn du bisher ein totales Arschloch als Chef hattest, wird nicht alles besser. Weil: Für dich selbst zu arbeiten ist die härteste Karriere, die du dir jemals aussuchen konntest.

Klar, wenn du es tatsächlich schaffst, erfolgreich zu werden, wenn du dein Unternehmen wirklich produktiv und vor allem lukrativ machen kannst, nachdem du dich jahrelang durch die Scheiße gewühlt und krumm gebuckelt hast, erreichst du bestimmt auch Freiheit und Glück. Dann kannst du entspannt mit deinem Laptop am Strand sitzen und ein sorgenfreies Leben genießen. Aber das dauert. Es dauert lange.

Wenn du dich selbständig machst, um eine tolle “Work-Life-Balance” zu erreichen und die totale Freiheit, Ruhe und Erholung zu finden und dir die Sonne auf den Sack (oder auf die Möpse) scheinen zu lassen, habe ich schlechte Nachrichten für dich: Du wirst es nicht schaffen. Bäm.

Entrepreneur

Fangen wir mit dem Geld an

In den meisten “normalen” Jobs arbeitest du für dein Gehalt oder deinen Lohn. Am Anfang des Monats kannst du schöne Pläne machen, was du alles mit deinem verdienten Geld anfangen kannst und wie du deine Rechnungen bezahlst. Du weißt ziemlich genau, was du auf dein Konto überwiesen bekommst und kannst dementsprechend Entscheidungen treffen und dir auch ein paar Wünsche erfüllen.

Wenn du X Stunden arbeitest, bekommst du Y Kohle. Das ist eine einfache Rechnung. Und das ist Lichtjahre entfernt von Selbständigkeit. Denn wenn du dein eigenes Unternehmen startest und daraus dein Haupteinkommen bestreiten willst und musst, wird die Rechnung um Welten komplizierter.

Niemand kommt zu dir und bringt dir sein Geld. Niemand überweist dir etwas, damit du deine Rechnungen bezahlen und deine Kosten decken kannst. Selbständigkeit kostet Geld. Versicherungen, Berufsgenossenschaft, IHK, HWK und wie sie alle heißen. Und es werden immer mehr, die plötzlich Geld von dir haben wollen, obwohl du doch noch gar keins verdient hast. Auf alle Einzelheiten und Eventualitäten einzugehen, würde den Artikel hier bei weitem sprengen. Zu dem Thema werde ich demnächst einmal einen separaten Beitrag verfassen. Das ist unter anderem ein Bereich, in dem wir auch in meiner Agentur, der graphix werbung GmbH Coachings und Beratungen durchführen.

Am Anfang lebt fast jedes eigenfinanzierte Unternehmen von der Hand in den Mund. Darauf musst du dich einstellen, darauf musst du vorbereitet sein. Das ist hart. Dein Lebensstandard lässt sich nicht mehr planen. Er wird mit deinen Einnahmen auf und ab gehen. Das ist unvermeidbar. Du musst dir ernsthafte und gut überlegte Gedanken über Geld machen.

An diesem Punkt wirst du anfangen müssen, Wege und Möglichkeiten zu finden, wie du in deinem Privatleben sparen kannst, um dein Unternehmen zu finanzieren. Genauso musst du in deinem Unternehmen sparen, um dein Privatleben zu finanzieren. Die erste Option ist die richtige, aber sie ist hart. Die zweite Option ist die einfache. Sie macht dich pleite. Klingt scheiße? Ist es auch.

Ja, ich weiß, das hört sich alles ziemlich deprimierend an. Wenn du jetzt eine Aufmunterung brauchst, scroll einfach zum Ende dieses Beitrages. Ich verspreche dir, es ist nicht alles Tod und Teufel.

Unternehmer werden

Okay, liest du noch mit? Cool! Lass uns über Zeit reden. Ich höre von Gründern, dass sie sich selbständig gemacht haben, weil sie mehr Kontrolle über ihre Zeit haben wollen und mehr Freizeit haben möchten. Und nochmal: Sorry, aber so wird das nichts mit einem Unternehmen.

Für die meisten Menschen, die eine Firma gründen ist das größte Kapital, das sie besitzen – Zeit. Das ist ein riskantes Unterfangen, weil du tatsächlich niemals soviel Zeit hast, wie du denkst. Aber es ist alles, was du hast. In den ersten Jahren deines Business wirst du Stunde um Stunde, Tag für Tag deiner Zeit damit verbringen, deine Firma an’s Laufen zu bringen.

Wenn du dir Zeit nimmst, mal abzuschalten, wirst du schlagartig feststellen, was du in dieser Zeit alles nicht geschafft hast. Neben den Aufgaben, die du nicht erledigt hast, sind da Kunden, die du nicht angerufen hast, oder Produkte, die du nicht fertig bekommen hast. Egal, wie sehr du das auch verdrängen möchtest – genau das wird passieren.

Und weil Zeit die einzige Ressource ist, die du wirklich immer investieren kannst, egal wie knapp das Geld wird, wirst du dir immer und wieder vorwerfen, dass du nicht genug gegeben hast.

Aber im Ernst: Lies weiter, und ich werde dafür sorgen, dass du dich mit deiner Entscheidung für eine Selbständigkeit wieder besser fühlst. Ich bin fast fertig.

HWK Bonn

Noch nicht aufgegeben? Cool! Hier ist noch was Interessantes: Das “Ich bin mein eigener Chef”-Ding. Wenn du denkst, dein eigener Chef zu sein, ist geiler als für irgendjemand anders zu arbeiten, wirst du schon wieder schmerzlich enttäuscht werden.

Jeder, der jemals für jemand anderen gearbeitet hat, hat im Leben mindestens ein oder zwei Typen von schlechten Bossen kennen gelernt.

Der Arschloch-Chef. Kennst du bestimmt. Das ist der Typ, der morgens mit Stift und Klemmbrett an der Türe steht und genau aufschreibt, wann du ins Büro kommst. Das ist auch der, der dir einen Haufen Akten auf den Tisch knallt – Freitags kurz vor Feierabend. Dafür bekommst du natürlich niemals auch nur eine einzige Überstunde bezahlt, geschweige denn eine Anerkennung dafür, dass du dir den Arsch aufreißt. Dafür vergisst er aber wenigstens jedes Jahr deinen Geburtstag.

Der Scheißegal-Chef. Er fordert dich nicht, gibt dir keine Aufgaben, ihm ist egal, wann du in die Firma kommst, du bekommst kein Feedback von ihm und du wirst niemals etwas von ihm lernen. Meistens denkst du, er merkt nicht mal, wenn du überhaupt nicht zur Arbeit kommst, was dir wiederum das Gefühl gibt, dass deine Arbeit eh nichts wert ist.

Du bist dabei, einer von denen zu werden. Einer von diesen beiden Chef-Typen. Wenn du für dich selbst arbeitest, gibt es kein Mittelding zwischen beiden. Entweder nimmst du alles zu locker und wirst so niemals die Übersicht und Kontrolle haben, oder du hetzt dich selbst in den Wahnsinn.

Du wirst lernen, dich selbst so zu behandeln, wie du deine Mitarbeiter niemals behandeln würdest. Du wirst dich selbst so dermaßen anschreien und kritisieren, dass es bei jedem Anderen locker für eine Klage vor der Menschenrechtskommission reichen würde. Als ich mit meinem ersten Unternehmen anfing, ist mir genau das passiert.

Das ist nicht gesund. Es ist einfach nicht gut so. Aber: Mehr als jeder Andere, der für dich oder mit dir arbeitet, wirst du dir bewusst sein, dass du unter Druck stehst und die Uhr tickt. Die Anderen? Die Anderen machen ihren Job. Du setzt dein Leben ein.

Selbstständigkeit

Wenn du dich jetzt bis hierhin durchgekämpft hast und immer noch liest – herzlichen Glückwunsch! Ich habe auch ein paar gute Nachrichten für dich (hatte ich ja versprochen). Egal, wie schwer es auch immer sein mag, ein Unternehmer zu sein – es lohnt sich. Dein eigenes Unternehmen zu gründen lohnt sich. Dein Unternehmen nach vorne zu bringen lohnt sich. Du hast die Möglichkeit, etwas Einzigartiges zu erschaffen, etwas Großes aufzubauen, das nur du zu erschaffen in der Lage bist.

Du hast die Möglichkeit, deine eigene Karriere zu steuern und für dein eigenes Schicksal Verantwortung zu übernehmen. Keine Fehler, keine noch so harte Arbeit oder schwere Zeiten können dir das jemals nehmen. Wenn du etwas für dich selbst tust – glaube mir, es fühlt sich so viel besser an, als es für irgendjemand anderen zu tun.

Ich gehe diesen Weg selbst seit einer ziemlich langen Zeit. Mit allen Höhen und allen Tiefen. Ich war so einige Male an dem Punkt, wo ich nicht wusste, wie ich die nächsten 10 Liter Sprit ins Auto bekomme, oder wovon ich die nächste Telefonrechnung bezahlen soll. Ich hätte etwas anderes machen können – klar. Aber ich würde mich jederzeit wieder dafür entscheiden, ein Unternehmer zu sein. Jeden verfickten Tag hart daran zu arbeiten, meine Geschäfte aufzubauen und zu entwickeln.

Wenn du mit dem Wissen in deine Selbständigkeit startest und dir bewusst bist, dass es hart wird und dass es dich Jahre deiner Zeit kosten wird – und ja, auch eine Menge langer Nächte – dann wirst du es schaffen. Du wirst die harten Zeiten irgendwann lieben und die schönen genießen.

Und vielleicht – aber nur vielleicht – wenn du es weit genug schaffst und hart genug arbeitest, wirst du irgendwann einmal mit deinem Laptop an einem Strand in der Karibik sitzen, Cocktails trinken und dein Unternehmen so führen, wie du es immer schon wolltest.

Wenn du die Sache aber mit dem Gedanken angehst, dass du deinen Traum-Lebensstil für’s Nichtstun geschenkt bekommst, wirst du ganz böse auf die Schnauze fallen. Letztendlich wirst du eh merken: Es gibt keinen fucking Schlüssel zum Erfolg!

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Dein

Hochzeitsreportage

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